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  • AutorenbildJHiller Coaching

My Home is NOT MY Castle!

Aktualisiert: 21. Feb. 2021

Wenn das Wort "HOME" zur Belastung und das geliebte Zuhause ein Platz der Überforderung wird!

"My Home is my Castle", so sagen wir gerne, wenn wir von unserem Zuhause sprechen. Ein Zuhause, indem wir uns zurückziehen, auftanken und uns hingeben können.


Was aber wenn die geliebte Burg keine Festung der Ruhe mehr ist, sondern vielmehr zu einem Ort des Schreckens wird? Genau dies geschieht momentan im eigenen Zuhause von vielen Paaren/ Familien - verursacht durch das "NEUE HOMEOFFICE".


Eine Klientin berichtete vor kurzem, dass sie erst gestern wieder "so einen Tag" daheim hatte. Zwei Stunden war sie mit einer Freundin walken um den See. Einfach mal raus! Luft schnappen und Ruhe haben von allen Aufgaben und von allen Familienmitgliedern, die sich seit Neuestem zu Hause gewissermaßen 24/7 tummeln.


Doch schon als sie zu Hause über die Türschwelle getreten ist, war ihr kurzes Auftanken wie ausgelöscht. Ihr Jüngster schrie gleich runter in den Flur. Er verstehe einfach nicht die Aufgaben in Erdkunde und niemand kann ihm helfen, weil niemand da ist! In der Schule hätte er schon längst jemanden fragen können und die Lehrerin reagiert auch nicht mehr, weil es nach 14.00 Uhr ist. Er muss bis morgen warten. Völlig frustriert sei er gewesen. Ihr fällt auf, dass er allgemein ängstlicher und unsicherer geworden ist. Das Thema "Homeschooling" macht ihm zu schaffen. Er wirkt, als seien seine Kräfte aufgebraucht. Sie fühlt sich irgendwie mitverantwortlich für seine Stimmung, da sie nicht wirklich helfen kann, ausser ihn immer und immer wieder zu motivieren. Nach fast einer Stunde "Motivationstraining" ging er die Aufgaben dann doch noch einmal an. So geht es nun schon seit einigen Monaten. Sie spielte die Lehrerin, war Mentaltrainerin und Seelsorgerin. Sie tut es gerne, aber es strenge sie zunehmend an, weswegen sie sich mehr und mehr nach ihrem eigenen Raum sehnt, indem auch sie sich wieder motivieren und auftanken kann!


Danach ging sie Richtung Badezimmer, das nun frei war, nachdem die Tochter stundenlang ihr Wellnessprogramm zelebriert hatte. Sie wollte endlich duschen. Auf dem Weg dorthin rief ihr Mann aus dem Arbeitszimmer. Er ist seit fast einem Jahr daheim und ihr Arbeitszimmer wurde nun auch zu seinem. Die Betonung liegt dabei auf "SEINEM", denn wann immer er eine Telko hat oder konzentriert arbeiten muss macht er sich dort ziemlich "breit". Irgendwie findet sie es "übergriffig". Auch dieser Raum, in dem sie sonst ihren Rückzug hatte und für sich sein konnte, war nun selbstverständlich belegt. Natürlich muss sie den Raum teilen, das weiß sie, denn einen anderen Rückzugsort zum Arbeiten gibt es im Haus nicht und es müssen ja alle irgendwie zusammenrücken in Zeiten von Homeschooling & Homeoffice. Sie sei ins Arbeitszimmer gegangen und er bat sie ein Dokument Korrektur zu lesen. Kein Problem, aber danach wollte sie unter die Dusche. Immerhin war es schon 17:00 Uhr und irgendwann möchte man ja gemeinsam zu Abend essen. Aus dem Korrekturlesen wurde noch ein Gespräch über die die neue Strategie, die er fahren will - es war bereits 17:30 Uhr. Sie wurde für eine halbe Stunde zur Ersatz-Kollegin und Mitarbeiterin seines Teams. Das eigentliche Team sitz im Moment verstreut im Homeoffice und ist eben nicht ständig "griffbereit" - sie schon. Ich soll sie nicht falsch verstehen, sie ist gerne hilfsbereit, aber immer dieser permanente "Zugriff" auf sie - wie eine Kellnerin, die durch das Haus läuft und man nur die Hand heben muss, um etwas zu bestellen. Das macht sie völlig irre. Sie sei völlig fremdbestimmt. Ich schaute sie an und sagte nur: "Ich verstehe sie!" Sie lächelte und erzählte weiter, denn bis zum Abendessen war noch eine lange Zeit.


Ihre jüngste Tochter kam ihr im Flur entgegen als sie das "Arbeitszimmer ihres Mannes" verlassen hatte. Völlig freudig erzählte sie, dass sie sich endlich für die Uni im Wintersemester anmelden kann. Sie müsse ein paar Unterlagen hochladen und vorher einscannen. Leider ist der Scanner am Drucker kaputt. Das war Thema Technik und eigentlich der Bereich ihres Mannes, aber der hatte Deadline für die Powerpointpräsentation, die er morgen per Zoom präsentiert. (Bei der ihr Mann im übrigen gerne alle Familienmitglieder teilhaben lässt, weil er so irrsinnig brüllt, wenn er mit dem Bildschirm spricht. Als sei es seine Großmutter, die im Sessel sitz.) Ok, Drucker checken! Das Duschen muss warten, denn das Kind ist motiviert und im "run", da will man es nicht ausbremsen (wegen ein bissl Eigenbedürfnis!). Der Drucker ließ sich nicht so schnell reparieren, daher zeigte sie der Tochter nach 20 Minuten eine Scan-App am Handy. Alles funktionierte, die Unterlagen waren verschickt. Sie freue sich zwar, dass sie ihrer Tochter helfen konnte, aber sie merke gleichzeitig, dass ihr eigener Raum, indem ihr Bedürfnis nach einer ruhigen, wohltuenden Dusche wohnt, sich immer mehr entfernte, denn jetzt musste sie sich beeilen mit dem Duschen. Es war bereits nach 18:00 Uhr. Alle hatten langsam Hunger und freuten sich auf ein gemeinsames und gemütliches Beisammensein am Abendtisch.


Geduscht hat sie in fünf Minuten. Mit nassen Haaren hat sie den Tisch gedeckt - zwar mit fröhlicher Unterstützung ihrer Tochter, aber sie selbst fühlte sich müde und schlaff. Zudem dachte sie daran, dass sie sich nach dem Essen auf jeden Fall an den Schreibtisch setzen musste, um selbst noch einiges zu arbeiten, denn auch sie ist im Homeoffice. Es fehlte ihr daher die innere Ruhe, um das Abendessen wirklich leicht und fröhlich geniessen zu können. Alle anderen waren relaxt und sie verabredeten sich sogar noch zu einer gemeinsamen Kniffelrunde im Wohnzimmer nach dem Abendessen. Jeder hatte seine Aufgaben vom Tag erledigt und war zufrieden mit sich - nur sie sei es eben nicht. Sie hat jedes mal das Gefühl nichts geschafft zu haben am Tag.


Nach dem Abendessen saß sie endlich in IHREM Zimmer und konnte arbeiten. Komischerweise gefiel es ihr gar nicht, denn alle anderen hatten unten im Wohnzimmer Spaß. Jetzt, wo man sich endlich in Ruhe begegnen konnte, saß sie alleine im Arbeitszimmer. Genau das sei es, was sie mehr und mehr traurig stimmt. Einerseits möchte sie ein Recht auf ihren eigenen Raum haben, den sie dann nutzen kann, wann sie es möchte und nicht wann man ihr dafür Zeit gewährt. Andererseits möchte sie sich nicht ausgeschlossen fühlen, wenn sie dann endlich die Zeit hat, in ihrem Raum zu sein und somit nicht an der Familiengemeinsamkeit teilnehmen kann. Das sei doch irgendwie verrückt, stellte sie bei Ihrer Erzählung fest.


Diese Zwiespältigkeit mache sie zunehmend unzufrieden, manchmal aggressiv und an anderen Tagen fühlt sie sich unendlich traurig darüber. Sie möchte es den anderen und sich recht machen. Aber dieser Spagat reißt ihr bald die Beine aus, so fühle es sich zumindest an, sagt sie. Und abschließend fragt sie mich: "Homeoffice, Homeschooling........sagen Sie, wo ist eigentlich das wirkliche Home geblieben, das von allen so sehr geschätzt wurde und dafür da war, dass es ein Gefühl der Oase bietet?"


Sie braucht jetzt irgendwie eine Struktur, sie braucht Prioritäten, sie braucht Gelassenheit und ihr fehlt die Leichtigkeit, Dinge zu akzeptieren, die nicht so laufen wie gewohnt..........und sie braucht vor allem SICH! Wo findet sie ihren eigenen Raum im System? Das System, das vor Corona gefühlt rund lief. Jeder hatte seine Ansprechpartner, seine Begleiter, seine Menschen, seine Kollegen und Mitschüler an denen er sich messen, reiben und bei denen er sich ausquatschen konnte. Alles wurde gut verteilt. Momentan hat sie das Gefühl, jede Verteilung landet bei ihr und so ist sie neben Ehefrau, Mutter, Ernährungsberaterin, Hausfrau, Geliebte, Freundin ("und das ist doch bitte ausreichend", findet sie!), nun auch noch Lehrerin, Motivationstrainerin, neue Teamkollegin, Technikerin und Kommunikationsvermittlerin (das ist sie nämlich auch noch, wenn es irgendwo zwischen den Familienmitgliedern rappelt!). Das ist einfach "too much" für sie.


Sie braucht endlich in kleinen Schritten eine Entlastung - für SICH - deswegen sei sie heute hier. Sie ist sich sicher, hier einen eigenen Raum zu bekommen. Einen Raum, indem sie Lösungen und Antworten findet, um ihren eigenen Bedürfnissen nachgehen zu können, ohne der Familie vor den Kopf zu stossen. Sie möchte spüren Teil der Familie und dennoch sie selbst zu sein und das Recht auf Selbstbestimmung zu haben. Momentan hat sie das Gefühl, das eine schließt das andere aus. So kann es nicht bleiben, sonst verliert sie sich total!


Nachdem sie die Situation geschildert hatte, erarbeiteten wir gemeinsam ihren Wert und legten ein Ziel fest, dass sie angehen möchte. Das fühlte sich für sie gut an, denn es bringt die Dinge in Bewegung und schafft einen neuen Blick. Sie sei gespannt, was der Prozess alles in Veränderung bringen wird, sagte sie bei der Verabschiedung und eines wisse sie schon jetzt: "Hier ist mein Raum - ganz für mich alleine - und das tut einfach schon jetzt so gut!"


Auch ich bin gespannt, was meine Klientin in Ihrem Raum an Antworten und Lösungen finden wird und begleite sie dabei wirklich sehr gerne.


Wie empfinden Sie den Spagat zwischen Homeschooling & Homeoffice? Ist ihr Home immer noch Ihr Castle oder auch ein Ort der Überforderung geworden?


Schreiben Sie mir gerne ein paar Zeilen darüber. :-)

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